Dabei stelle ich mir immer häufiger die Frage: Ist dieser eigene Stil eigentlich ein Geschenk oder vielleicht sogar eine kreative Einschränkung? Sitzt er in uns drin wie eine fotografische DNA, die nur darauf wartet, entdeckt zu werden? Oder ist er vielmehr eine Komfortzone, die uns manchmal den Blick für Neues verstellt?
Manchmal fühle ich mich wie ein Koch, der unbewusst immer wieder zur gleichen Gewürzmischung greift, obwohl er eigentlich fest vorhat, mal etwas ganz anderes zu kreieren.
Was mich dabei fasziniert: Bei meiner Fotografie entsteht jedes Bild aus der Begegnung zweier Menschen. Jedes Shooting ist wie ein Tanz, bei dem sich Fotograf und Model aufeinander einstimmen müssen. Manchmal stimmt die Chemie sofort, und es entstehen wie von selbst besondere Momente.
An anderen Tagen braucht es erst eine halbe Stunde, bis sich eine vertrauensvolle Atmosphäre entwickelt. Und manchmal fühlt man sich dabei wie beim ersten Tanzkurs, als man noch nicht wusste, wer eigentlich führt.
Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir: Meine Bilder sind ein Spiegel meiner selbst und das auf verschiedenen Ebenen. Da ist zunächst die direkte Interaktion während des Shootings. Meine Stimmung, meine Körpersprache, meine Art zu kommunizieren. All das überträgt sich unweigerlich auf das Model. Ein entspannter, positiver Tag führt zu anderen Bildern als einer, an dem ich innerlich unruhig oder gedanklich abgelenkt bin.
Dann sind da die kreativen Entscheidungen im Moment der Aufnahme: Welches Licht ich nutze, welchen Moment ich einfange, welchen Ausschnitt ich wähle. All diese Entscheidungen werden von meinem momentanen emotionalen Zustand und meiner Weltsicht geprägt. Manchmal erkenne ich später in den Bildern, in welcher Verfassung ich war. Eine Art fotografisches Tagebuch, das ich gar nicht führen wollte.
Und schließlich spiegelt sich meine Persönlichkeit auch in der Auswahl und Bearbeitung der Bilder wider. Welche Fotos ich aus einer Serie auswähle, wie ich sie entwickle, welche Stimmung ich in der Nachbearbeitung verstärke. Das alles sind höchst subjektive Entscheidungen, die von meinen ästhetischen und emotionalen Präferenzen geprägt sind.
Vielleicht ist es ja wie mit der Handschrift beim Schreiben: Selbst wenn wir uns bemühen, besonders ordentlich oder völlig anders zu schreiben, bleiben gewisse charakteristische Züge bestehen. Sie sind Teil unserer Persönlichkeit geworden, haben sich über Jahre entwickelt und ververinnerlicht. Unser Stil spiegelt wider, wer wir sind und wie wir die Welt sehen, auch wenn wir manchmal selbst am meisten davon überrascht sind.
Was bedeutet das nun für mich als Fotograf? Die Erkenntnis ist eigentlich ganz einfach: Die Qualität meiner Bilder liegt zu einem Teil in meiner eigenen Hand. Wenn ich ausgeglichen und gut vorbereitet zu einem Shooting gehe, überträgt sich diese Ruhe auf die gesamte Atmosphäre. An Tagen, an denen ich bewusst positive Energie mitbringe, entstehen lebendigere Bilder. Da bin ich mir zwar noch nicht ganz sicher. Aber es ist zumindest eine Theorie.
Letztendlich ist es eine Form der Selbstreflektion: Je besser ich mich selbst und meine Wirkung verstehe, desto gezielter kann ich die Stimmung eines Shootings beeinflussen. Das macht mich nicht automatisch zu einem besseren Fotografen, aber ganz sicher zu einem besseren Partner in diesem fotografischen Tanz zu zweit.