Als Fotograf beschäftige ich mich täglich mit Haut, mit Farben, mit Schönheit. Und dabei stelle ich fest: Was bei uns als makellos und erstrebenswert gilt, kann anderswo geradezu als Makel empfunden werden. In meiner Arbeit achte ich penibel darauf, dass die Haut meiner Models einen warmen, sonnenverwöhnten Ton hat. "Golden Hour" nennen wir Fotografen nicht umsonst jene magischen Minuten kurz vor Sonnenuntergang, wenn das Licht die Haut in honigwarme Töne taucht.
Doch während wir im Westen der Bräune hinterherjagen, spazieren asiatische Touristinnen mit speziellen Regen- äh sorry, Sonnenschirmen am Frankfurter Mainufer entlang. Diese sind innen mit einer speziellen UV-reflektierenden Beschichtung versehen — Hightech im Kampf gegen jeden noch so kleinen Sonnenstrahl. In Asien gilt makellos weiße Haut als Zeichen von Nobilität, von Kultur und gesellschaftlichem Status.
Geh doch mal in die Sonne!
Diese kulturelle Differenz erinnert mich an meine eigene Kindheit. Die gut gemeinten Ratschläge kamen verlässlich wie der Sonnenbrand: "Geh doch mal in die Sonne!" Tja, da war ich längst. Mit Lichtschutzfaktor 30, der bei mir wirkt wie eine Ritterrüstung gegen UV-Strahlen. Meine Haut reagierte auf sämtliche Bräunungsversuche bestenfalls mit einem scheuen Rosa, das sich nach wenigen Tagen wieder in die Farbe eines norddeutschen Winterhimmels zurückverwandelte.
Die Ursprünge unserer westlichen Sehnsucht nach gebräunter Haut sind erstaunlich jung. Noch bis ins frühe 20. Jahrhundert galt blasse Haut auch bei uns als Statussymbol der Oberschicht. Wer gebräunt war, musste draußen arbeiten. Ein klares Zeichen niederer Herkunft.
Erst als die industrielle Revolution immer mehr Menschen in Fabriken trieb, wurde der sonnengebräunte Teint zum Privileg der Müßiggänger. In den 1920er Jahren begann sich das gesellschaftliche Ideal zu wandeln, als Freizeit und Outdoor-Aktivitäten für die wohlhabende Gesellschaft zunehmend attraktiv wurden.
Heute, in Zeiten der Globalisierung, prallen diese unterschiedlichen Ideale aufeinander. In meinen Fotoshootings erlebe ich regelmäßig, wie Models aus verschiedenen Kulturkreisen völlig unterschiedliche Vorstellungen von ihrer "Schokoladenseite" haben.
Während die einen sich im Winter auf der Sonnenbank rösten, als gäbe es kein Morgen, hüllen sich andere in mehr Sonnenschutz als ein Astronaut auf dem Weg zur Sonne.