Schönheitsideale: Braun oder blass?

Schönheitsideale: Braun oder blass?

Letztens am Frankfurter Flughafen. Eine Gruppe asiatischer Touristinnen fällt mir auf, ihre Gesichter so weiß wie ein Blatt Kopier­papier. Selbst für mich als chronisch hellhäutigen Menschen ein überraschender Anblick. Bei den Asiatinnen scheint es kein genetischer Zufall zu sein, sondern System mit absoluter Präzision.

Lesezeit: 3 Min.

Als Fotograf beschäftige ich mich täglich mit Haut, mit Farben, mit Schönheit. Und dabei stelle ich fest: Was bei uns als makellos und erstre­benswert gilt, kann anderswo geradezu als Makel empfunden werden. In meiner Arbeit achte ich penibel darauf, dass die Haut meiner Models einen warmen, sonnen­verwöhnten Ton hat. "Golden Hour" nennen wir Fotografen nicht umsonst jene magischen Minuten kurz vor Sonnen­untergang, wenn das Licht die Haut in honig­warme Töne taucht.

Doch während wir im Westen der Bräune hinterherjagen, spazieren asiatische Touristinnen mit speziellen Regen- äh sorry, Sonnenschirmen am Frankfurter Mainufer entlang. Diese sind innen mit einer speziellen UV-reflektierenden Beschichtung versehen — Hightech im Kampf gegen jeden noch so kleinen Sonnen­strahl. In Asien gilt makellos weiße Haut als Zeichen von Nobilität, von Kultur und gesell­schaftlichem Status.

Geh doch mal in die Sonne!

Diese kulturelle Differenz erinnert mich an meine eigene Kindheit. Die gut gemeinten Rat­schläge kamen verlässlich wie der Sonnenbrand: "Geh doch mal in die Sonne!" Tja, da war ich längst. Mit Licht­schutz­faktor 30, der bei mir wirkt wie eine Ritter­rüstung gegen UV-Strahlen. Meine Haut reagierte auf sämtliche Bräunungs­versuche bestenfalls mit einem scheuen Rosa, das sich nach wenigen Tagen wieder in die Farbe eines nord­deutschen Winter­himmels zurückverwandelte.

Die Ursprünge unserer westlichen Sehn­sucht nach gebräunter Haut sind erstaunlich jung. Noch bis ins frühe 20. Jahrhundert galt blasse Haut auch bei uns als Status­symbol der Ober­schicht. Wer gebräunt war, musste draußen arbeiten. Ein klares Zeichen niederer Herkunft.

Erst als die industrielle Revolution immer mehr Menschen in Fabriken trieb, wurde der sonnen­gebräunte Teint zum Privileg der Müßig­gänger. In den 1920er Jahren begann sich das gesell­schaftliche Ideal zu wandeln, als Freizeit und Outdoor-Aktivitäten für die wohlhabende Gesell­schaft zunehmend attraktiv wurden.

Heute, in Zeiten der Globalisierung, prallen diese unterschied­lichen Ideale aufeinander. In meinen Foto­shootings erlebe ich regelmäßig, wie Models aus verschiedenen Kultur­kreisen völlig unter­schiedliche Vorstellungen von ihrer "Schokoladen­seite" haben.

Während die einen sich im Winter auf der Sonnen­bank rösten, als gäbe es kein Morgen, hüllen sich andere in mehr Sonnen­schutz als ein Astronaut auf dem Weg zur Sonne.

Das Verrückte ist: Beide Extreme sind komplett künstlich, beide sind kulturelle Erfindungen. Als Fotograf finde ich das spannend, denn es zeigt wie subjektiv Schönheit ist.

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