Schuld an diesem Schock war meine kurze, aber intensive Begegnung mit Facetune, jener App, die uns allen verspricht, dass wir aussehen können wie die perfekten Menschen, die es gar nicht gibt. Sie wissen schon — diese mysteriösen Wesen auf Instagram, bei denen man nie ganz sicher ist, ob sie in Tel Aviv, Tokyo oder doch eher in einem Rechenzentrum geboren wurden.
Die Geschichte von Facetune ist dabei so bizarr wie bezeichnend für unsere Zeit: 2013 von einem israelischen Unternehmen entwickelt, sollte die App ursprünglich einfach nur dabei helfen, Selfies ein bisschen aufzuhübschen. Sie wissen schon — hier ein Pickelchen weg, da ein bisschen Belichtung korrigieren. Harmlos, eigentlich.
Aber dann kam die künstliche Intelligenz ins Spiel, und plötzlich wurde aus dem digitalen Make-up-Köfferchen eine Art Gesichts-Transformator. Die neueste Version der App verspricht uns allen, wir könnten aussehen wie KI-generierte Supermodels. In Echtzeit! Während eines Videocalls! Was früher Hollywood und seinen Spezialeffekten vorbehalten war, kann jetzt jeder Teenager auf seinem Smartphone.
Verstehen Sie mich nicht falsch — ich bin kein Technik-Pessimist. Aber wenn mir eine App verspricht, dass sie mein Gesicht so bearbeiten kann, dass es aussieht wie ein von KI generiertes Gesicht, das wiederum auf den bearbeiteten Gesichtern echter Menschen basiert … nun, dann wird mir ein bisschen schwindelig.
Besonders interessant wird es, wenn man bedenkt, dass wir mittlerweile in einer Welt leben, in der Menschen ihre Gesichter nach Vorbildern optimieren, die es gar nicht gibt. Die KI generiert makellose Gesichter, die Menschen versuchen, diesen Standard zu erreichen, und die KI lernt wiederum von diesen bearbeiteten Bildern. Ein perfekter Kreislauf der Künstlichkeit.
Das Ergebnis? Eine Generation, die sich unwohl fühlt, wenn sie einfach nur … normal aussieht. "Filter-Dysmorphie" nennen Experten das Phänomen, wenn Menschen ihr ungefiltertes Spiegelbild nicht mehr ertragen können. Dabei ist es doch gerade das Unperfekte, das uns menschlich macht. Unsere kleinen Macken, die Lachfältchen, die verschmitzte Asymmetrie eines echten Lächelns.
Vielleicht sollten wir eine neue App entwickeln. Eine, die unsere gefilterten Gesichter wieder vermenschlicht. Die künstlich ein paar Fältchen hinzufügt, die Haut nicht ganz so porzellanglatt erscheinen lässt, die Augen ein kleines bisschen weniger perfekt macht. Wir könnten sie "RealMe" nennen. Oder besser noch: einfach mal das Smartphone beiseite legen und in einen echten Spiegel schauen.
