Das haarige Geheimnis

Das haarige Geheimnis

Ein gewöhnlicher Abend im Crazy Horse? Von wegen! Da sitze ich also in der ersten Reihe des legendären Pariser Cabarets und beobachte die Tänzerinnen, die auf einem Laufband an mir vorbeischweben. Als Fotograf achte ich natürlich auf Details. Und plötzlich fällt mir etwas ins Auge, das mich stutzig macht.

Lesezeit: 3 Min.

Alle Damen tragen exakt das gleiche, perfekt symmetrische dunkle Dreieck im Intimbereich. Ein bisschen wie gestempelt, denke ich noch. Zu perfekt, um wahr zu sein — und wie sich herausstellen sollte, war es das auch.

Meine fotografische Neugier war geweckt. Nach einigen Recherchen stieß ich auf ein pikantes Kapitel der Kostümgeschichte: den Merkin. Sie ahnen nicht, was sich hinter diesem harmlos klingenden Begriff verbirgt? Nun, sagen wir es unverblümt: Ein Schamhaartoupet. Ja, Sie haben richtig gelesen.

Die Geschichte dieser besonderen Haartracht reicht tatsächlich bis ins 15. Jahrhundert zurück und sie ist durchaus delikat. Damals mussten sich nicht nur Kurtisanen ihrer natürlichen Behaarung entledigen, sondern auch die feinen Damen der Gesellschaft. Der Grund war allerdings weniger ästhetischer Natur, sondern vielmehr ein höchst unangenehmes Problem: Ihre Ehemänner und Liebhaber hatten die peinliche Angewohnheit, von ihren Ausflügen kleine Untermieter mitzubringen: Filzläuse.

Eine rasierte Dame galt damals allerdings schnell als krank oder unsittlich, schließlich war üppiger Natur­wuchs ein Zeichen von Gesund­heit und Wohl­stand. Stellen Sie sich die Situation vor: Madame leidet unter den Neben­wirkungen der außer­ehelichen Aktivi­täten des Gatten, muss aber gleich­zeitig den Anschein der Tugend­haftigkeit wahren. Was also tun? Die findige Lösung: Ein künst­licher Ersatz aus Pferde- oder Ziegen­haar, der von speziali­sierten Perücken­machern gefertigt wurde.

Die Perückenmacher dieser Zeit entwickelten eine regelrechte Kunstfertigkeit in der Herstellung dieser delikaten Accessoires. Man könnte sagen, sie waren die ersten "Hair-Stylisten" für den Unterleib. Wobei sie diese Expertise vermutlich nicht in ihr Zunftschild gravieren ließen.

Wie genau diese frühen Exemplare befestigt wurden? Darüber schweigen sich die Geschichtsbücher diskret aus. Vermutlich wollten die Chronisten ihrer Nachwelt diese Details ersparen.

Aber lassen Sie uns mal spekulieren: Möglicherweise wurde das gute Stück an einer Art leistenartigen Unter­hose festgenäht. Quasi die historische Vorform des modernen G-Strings. Oder vielleicht experimentierte man mit Naturharzen als Klebstoff?

Diese frühen Exemplare waren sicher nicht gerade ein Beispiel für Tragekomfort. Eher eine Art kratziger Miniatur-Teppich für intimste Stellen. Aber immerhin besser als die unerwünschten Untermieter!

Manche Herren der gehobenen Gesellschaft sammelten diese künstlichen Arrangements sogar als eine Art Trophäe. In manchen Museen kann man Schnupf­tabak­dosen bewundern, die mit echten Scham­haaren verziert wurden. Eine echt schräge Form der Erinnerungs­kultur. Männer sind schon eine faszinierende Spezies.

Heute begegnet man dem Merkin hauptsächlich bei Film- und Theater­produk­tionen. Selbst Oscar-Preisträgerin Kate Winslet trug in "Der Vorleser" (2008) solch ein Haar­teil. Die Authen­tizität der Nachkriegs­zeit verlangte es.

Während meiner Recherche erfuhr ich Details zur modernen Befestigung: Ein hautfarbener G-String dient als Basis, darauf wird das kunstvoll gefertigte Haarteil mit Spezialkleber fixiert. Eine ziemlich aufwendige Prozedur. Aber immer noch einfacher als stundenlange Retusche in der Postproduktion.

Während ich im Crazy Horse die perfekt choreographierte Show verfolgte, musste ich grinsen. Da sitzt man als Fotograf, der täglich mit Nacktheit arbeitet, im renommiertesten Cabaret von Paris und grübelt über die Raffinesse eines Kostümteils, das die wenigsten Zuschauer überhaupt bemerken. Manchmal sind es eben die haarigen Details, die die Performance vollenden.

P.S. Und falls Sie sich wundern, warum Lina im Schrebergarten als Aufmacherfoto herhalten muss: Tja, mit Kamera wäre ich im Crazy Horse schneller draußen gewesen, als ich "Schamhaartoupet" hätte buchstabieren können.

Navigieren