Fotografisch drehte sich für mich 2024 alles um meinen dritten Bildband — "Mellow". Solch ein Mammutprojekt stemme ich nicht oft und es zum Abschluss gebracht zu haben, war sehr besonders für mich.
Ich bin sehr dankbar für den großen Zuspruch zu meinem Werk, auch wenn ich mein Jahresziel, alle Bücher bis zum 31.12. zu verkaufen, nicht ganz geschafft habe. Jetzt habe ich noch rund 90 Exemplare — sozusagen meine private Reserve für besonders hartnäckige Nachzügler. Dass sich bereits 900 Bücher in Schränken von Fotoliebhabern auf der ganzen Welt befinden, fühlt sich großartig für mich an.
Und es ist für mich immer wieder unglaublich, dass ich jedes einzelne Exemplar selbst in der Hand hatte. Denn ich habe alle verpackt und zur Post getragen. Es gibt also wirklich kein Buch, das ich nicht angefasst hätte — man könnte sagen, jedes Exemplar wurde handverlesen und mit persönlichem Segen ausgestattet.
Nochmals vielen Dank für das tolle Feedback, das ich von Euch bekommen habe. Es bedeutet mir wirklich viel und ist am Ende der Antrieb für meine Arbeit.
Ich hatte das ziemlich geschickt geplant, ein Buch nicht zum Weihnachtsgeschäft zu veröffentlichen, sondern antizyklisch bereits im März. So war ich ab Anfang Januar mit den Druckvorbereitungen gut ausgelastet und konnte mit Beginn des Frühlings wieder ans Fotografieren denken. Eine Strategie, die selbst meine Steuerberaterin mit einem anerkennenden Nicken quittierte.
Fotografieren bedeutet für mich aktuell, die meiste Zeit in meine Kalenderproduktionen und Shootings für meine Unterstützer auf Patreon zu stecken.
Weil Reisekosten aber mittlerweile rund das zweieinhalbfache von vor der Pandemie betragen, wird es für mich als selbstständigen Fotograf nicht einfacher. Während ich früher sehr häufig Modelle eingeflogen habe, bekomme ich dies inzwischen nicht mehr vernünftig kalkuliert. Deshalb bin ich jetzt auch nicht mehr so oft unterwegs, dafür aber länger und mit mehr Shootings pro Reise — quasi Fotografie im Großhandelsformat.
Nach dem Winter mit der ungünstigen Dunkelheit und kurzen Tagen in Mitteleuropa, ging es für mich im Juni per PKW nach Tschechien.
Abseits des touristischen Zentrums von Prag war ich bislang noch nie. Die Stadt ist hier sehr unaufgeregt. Herrschaftliche Architektur wie in Wien oder Paris (aber weniger Kriminelle und Gammler), breite Gehsteige und in allen Wohnblöcken befinden sich Cafés und Geschäfte. Diese Dinge machen eine Stadt lebenswert.
In meiner Heimatstadt Frankfurt fehlt so etwas zum Beispiel komplett. Aber in Prag habe ich einfach so im Vorbeigehen eine Rollschuhdisko und einen Hunde-Selbst-Wasch-Salon entdeckt (vermutlich nicht für gleichzeitige Nutzung gedacht), verschiedenste internationale Restaurants und was mir besonders gut gefallen hat: es ist hier lebendig, aber nicht so eng und voll.
Obwohl ich schon ein paar Mal in der tschechischen Hauptstadt war, ist mir bei dieser Reise zum ersten Mal aufgefallen, dass Prag superweiches und leckeres Leitungswasser hat. Nach dem Duschen fühlen sich die Haare weich an und Tee schmeckt viel besser. In Frankfurt dagegen fühlt sich das Wasser an, als hätte man eine Packung Calgon darin aufgelöst.
Bestimmt ist mein Blick nicht ganz neutral und Einheimische werden auch an Prag eine Menge auszusetzen haben. Ich habe die tschechische Hauptstadt sicherlich mit viel Enthusiasmus und einer gewissen Vorfreude besucht, was aber doch auch schön ist.
Wenn man eine Geschichte erzählt, ist Fallhöhe ein gutes dramaturgisches Element, um die Erzählung für den Leser spannend zu halten. Aber auf diese Fallhöhe in meinem Jahresrückblick hätte ich gerne verzichtet: Im Juli konnte ich wie aus heiterem Himmel, von heute auf morgen, plötzlich nicht mehr laufen. Mein rechtes Knie wurde steif. Ohne Unfall, ohne Fremdeinwirkung. Einfach so. So musste ich zum Arzt und das ganze Theater begann: Röntgen, MRT-Untersuchung und Spritzen.
Wochenlang musste ich auf einen Arzttermin bei einem Spezialisten warten, ständig im Ungewissen, wie es weiter geht und was die Ursache sein könnte. Glücklicherweise hat sich dann der Anfangsverdacht einer Autoimmunerkrankung nicht bestätigt. Ich war sehr erleichtert.
Aber die quälende Warterei und der Verzicht auf Sport und Bewegung war einfach nur großer Mist. Mein Sommer war futsch. Ich konnte auch viel weniger fotografieren, als ich es vorhatte. Warum mein Knie streikte, hat man nicht herausgefunden.
Schon vergangenes Jahr war mein größter Wunsch, einen neuen Lebensmittelpunkt zu finden. Umzuziehen und das Leben neu zu ordnen. Einfach, weil ich spüre, dass ich in meinem letzten Lebensdrittel gerne noch einmal etwas erleben möchte. Und weil 27 Jahre in Frankfurt schon viel länger sind, als ich je geplant hatte.
Es gestaltet sich alles schwieriger als gedacht. In 2023 hatte ich noch den naiven Gedanken, ich könne mir einen Wohnort in Deutschland aussuchen und dann dort nach Wohnungen gucken. Ganz so einfach ist es aber nicht, weil das Preisgefüge einfach unrealistische Ausmaße angenommen hat und es überall eine unglaubliche Wohnungsknappheit gibt.
Vergangenes Jahr habe ich mich in Frankreich umgesehen. Dort kann man in der Landesmitte sehr günstig wohnen, ist dafür aber extrem weit ab vom Schuss. Dafür bin ich dann vielleicht noch ein bisschen zu jung, denn ich möchte noch nicht dauerhaft an einem Ort bleiben, sondern auch reisen.
Dieses Jahr haben meine Frau und ich deswegen Portugal erkundet. Witzigerweise hatte ich nie geplant, auszuwandern. Besonders, weil eine weitere fremde Sprache eine echte Herausforderung darstellt. Davor hatten wir sehr viel Respekt. Aber ein bisschen Portugiesisch spreche ich ja bereits. Und die Rahmenbedingungen klangen verlockend: Wir könnten uns eine Wohnung leisten und zwischen einer Hauptstadt und dem Meer, aber trotzdem ruhig und ländlich, wohnen.
Wir haben ein halbes Jahr darauf hingearbeitet und uns viele Immobilien vor Ort angesehen. Leider hat es dann am Ende doch nicht gepasst. Auch in Portugal braucht man ein größeres Budget für eine ansprechende Immobilie und das Meer in der Nähe zu haben ist zwar schön, aber auch nicht das Wichtigste. Es fühlte sich vor allem so an, als würden wir uns Ferienwohnungen ansehen, obwohl wir doch dort zum Leben hinziehen wollten.
Und zudem hatten wir das Gefühl, dass der Grund fehlte, warum wir nach Portugal gehen würden. Wenn es hier viel Arbeit für mich gäbe oder wir familiäre Verbindungen hätten, irgendsowas eben. Das fehlte.
Ich will nichts Schlechtes über Portugal sagen: Die Menschen waren alle sehr freundlich und hilfsbereit, die Infrastruktur ist besser als in Deutschland, insgesamt ist es ein großartiges Land, aber irgendwie hat es sich für uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht richtig angefühlt, um den Umzug in ein portugiesisches Dorf zu wagen.
Und dann bleibt ja immer noch die Frage, wie es mit meiner Fotografie beruflich weitergeht. Die Zeiten haben sich sehr schnell verändert. Wenn ich heute ein Modell fotografiere, das 20 Jahre alt ist, dann wurde sie 2004 geboren. Sie ist selbstverständlich mit Internet aufgewachsen, das Smartphone war von klein auf dabei. Es ist ein komplett anderes Aufwachsen, als ich es — als Jahrgang 1976 — erlebt habe.
Und so sind auch Geschäftsmodelle plötzlich anders: OnlyFans und Co. sind weiter auf dem Vormarsch in der Model-Welt. Publikationen, gar in gedruckten Heften, werden für Models immer uninteressanter. Stattdessen bauen sich viele Models eine eigene Community auf und verkaufen Dinge: Fotos von sich in Unterwäsche, die sie selbst mit dem Handy aufnehmen. Oder sie verkaufen sich als virtuelle Freundin, mit der man eine bestimmte Anzahl an Nachrichten austauschen kann.
Über solche Themen konnte ich zum Glück auch sprechen, als ich bei Martin Krolop zum Pizza Essen live auf YouTube eingeladen war. Ein witziges Format und wieder ein Zeichen, dass das statische Fernsehen immer unbedeutender wird. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, vor allem weil ich von Anfang an die Kameras vergessen hatte.
Und nur wenige Wochen später habe ich ein zweites Mal meine Komfortzone verlassen und einen zweistündigen Vortrag über meine Arbeit als Fotograf, über meine Bildbände und über Playboy gehalten. Vor 25 interessierten Zuhörern zu sprechen war komplett neu für mich. Vielleicht werde ich so etwas in der Zukunft einmal wiederholen. Denn der persönliche Austausch ist mir sehr viel wert. Ich möchte weniger im eigenen Saft schmoren und deshalb auch wieder vermehrt auf Messen und Ausstellungen gehen.
Dieses Werk hat mich vom ersten Moment an instinktiv angesprochen. Die Nostalgie der Synth-Pop-Kunst der 80er Jahre ist darin unverkennbar eingefangen. Dabei ist es weniger ALF selbst gewesen — auch wenn er als sympathischer Charakter natürlich mega cool ist — sondern vielmehr die Kombination aus dem überperfekten Frauenportrait und den poppigen Farben. Es hat mich direkt ein Gefühl von Nostalgie überkommen.
Im glamourösen Portrait habe ich sofort eine Anlehnung an den Instagram-Perfektionismus unserer Zeit erkannt. Und dieses Spannungsfeld hat automatisch dazu geführt, dass ich mich gefragt habe, warum und was ich dabei empfinde. Ich habe mich also länger als gewöhnlich mit einem Bild befasst. Für mich ist das immer ein gutes Zeichen.
Toll war es, Davina, die Künstlerin des Gemäldes, persönlich kennenzulernen. Da sie beim gleichen Galeristen wie ich vertreten ist, sind wir einander vorgestellt worden und ich konnte ihr direkt Fragen zu ihrem Schaffen stellen. Sie hat nur so gesprudelt, was irgendwie großartig war und so habe ich unter anderem erfahren, dass es sich beim Bild nicht um ein Selbstportrait handelt und dass auch sie häufig Kritik ausgesetzt ist — hauptsächlich von Frauen, die ihr vorwerfen, Frauen als Objekte darzustellen.
Diese Kritik habe ich als völlig unbegründet, geradezu grotesk, empfunden. Als ich später in einem Online-Forum von meinem Messebesuch berichtet und das Gemälde geteilt habe, war ich schockiert über die Reaktionen: Viele Kommentare waren unter der Gürtellinie und extrem negativ.
Ich denke, es wirft ein bezeichnendes Licht auf unsere Gesellschaft: Wie können Menschen abschätzig über eine Künstlerin urteilen, die sie nicht kennen, und über ein Werk, das sie nie im Original gesehen haben? Die Erklärung scheint mir in einer Mischung aus Neid auf den Erfolg der Künstlerin und ihr Können zu liegen, gepaart mit Missgunst von Menschen, die sich von der dargestellten Perfektion selbst herabgesetzt fühlen.
Es mag ja grundsätzlich etwas Gutes sein, wenn ein Werk polarisiert. Mich aber hat es sehr traurig gestimmt und ich hätte das Gemälde am liebsten direkt selbst gekauft, weil es mich persönlich emotional berührt hat. Als Künstler empfinde ich großen Respekt vor der Arbeit anderer und es fällt mir überhaupt nicht schwer, anderen Erfolg zu gönnen. Im Gegenteil: Ich freue mich sogar mit ihnen darüber!
Jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, ist es gerade Weihnachten. Draußen ist es dunkel und ich wünschte, ein paar Schneeflocken würden fallen. Dann wäre es wenigstens romantisch hier. Ich bin einfach kein Wintermensch — eher der Typ, der am liebsten von November bis März Winterschlaf halten würde, nur unterbrochen von gelegentlichen Heißgetränken und Fotoshootings.
Bei dieser Arbeit gehe ich richtig auf — wahrscheinlich liegt es daran, dass ich meine Winterflucht perfekt getimed habe: Während zuhause alle ihre Winterjacken entstauben, genieße ich es, ein paar Wochen bei Sonnenschein zu arbeiten. Ich liebe es, wenn es hell ist.
In diesem Dezember habe ich dabei erstmals einen heftigen Sandsturm erlebt, der zum Glück erst nach meinen Shootings begonnen hat und zwei Tage lang anhielt. Das Wetter ist manchmal wild auf Fuerteventura.
Mal wieder ist mein Jahresrückblick sehr lang geworden. Und ich möchte Sie auch nicht langweilen. Wie so ein alter Opa, der die tollen Anekdoten aus seinem Leben erzählt und alle beginnen verstohlen zu gähnen, aber er merkt es nicht. (Keine Sorge, ich habe es diesmal gemerkt!)
Und darum ist es jetzt Zeit, Ihnen alles Gute für das neue Jahr zu wünschen. Und nochmal danke zu sagen. Danke für Ihre Unterstützung und Treue. Darüber freue ich mich sehr!