Mein moralischer Ansatz zu KI

Mein moralischer Ansatz zu KI

Mit den neuen Möglichkeiten, die KI in der Bildbearbeitung bietet, stellt sich auch die Frage nach dem moralischen Umgang damit. Welche Nutzung ist vertretbar? Ich habe versucht, mir Leitlinien zu schaffen und möchte diese transparent kommunizieren.

Lesezeit: 5 Min.

Das Thema KI war im letzten Jahr sehr präsent. Meistens ging es nur darum, was mit KI alles möglich ist. Also um die technischen Verbesserungen. Neue Errungenschaften wurden präsentiert und gefeiert. Oft kam mir das alles wie ein Theater vor, und teilweise lächerlich.

Zum Beispiel: Eine fliegende Kuh mit Astronautenhelm im Weltraum. So etwas ist eine nette Spielerei, aber wie sieht es mit dem Einsatz in der Realität aus?

Meine Fotografie ist weder dokumentarisch noch werblich. Ich würde mich in der Unterhaltungsbranche einordnen, denn meine Fotos sollen Spaß machen. Nichts, was ich tue, ist ein Abbild der Realität. Es ist eine Kunstform, in der ich die Schönheit von Frauen zelebriere. Wie weit darf ich also gehen?

Eine schwierige Frage

Für meine eigene Arbeit bedeutet der Einsatz von KI, wie sehr ich sie mir beim Retuschieren helfen lassen darf. KI ist also gleichbedeutend mit Bildbearbeitung.

Ich würde das mit kosmetischer Chirurgie vergleichen. Wie stehe ich zu kosmetischer Chirurgie? Ich liebe Natürlichkeit. Allerdings hatte ich als Kind Schneidezähne, die ich über meine Unterlippe schieben konnte. Das gab mir ein Hasengesicht, also bekam ich eine Zahnspange und eine Lippenbändchen-Operation. Es gab dafür keine medizinische Notwendigkeit. Nur kosmetische Gründe. Also ist es auch kosmetische Chirurgie, nicht wahr?

Was ist also verkehrt daran, Augenringe auf einem Foto verschwinden zu lassen? Oder Cellulite? Oder Dehnungsstreifen? Oder Muttermale?

Wie viel ist zu viel?

Für mich ist es eine Frage des Maßes. Wie viel retuschiert man und wann hört man auf? Meiner Meinung nach darf man eine gute Retusche nicht sehen. Damit meine ich, sie sollte einem nicht ins Auge springen, sonst war es definitiv zu viel.

Für meinen Teil kann ich aber sagen, dass ich keine digitalen Brustvergrößerungen vornehme und auch keine Wespentaillen herbei zauber. Ich bin kein Freund davon, Körperformen in Photoshop zu verflüssigen. Damit gesagt, verurteile ich keine Kollegen, die das nutzen. Nur für mich persönlich ist das meine Grenze.

Aber ich retuschiere grundsätzlich die Haut in all meinen Fotos. Das nervt manchmal, etwa wenn ein Model einen abblätternden Sonnenbrand hat. Und hier nutze ich gerne die neuen KI-gestützten Werkzeuge in Photoshop.

Besonders das — derzeit noch etwas langsame — Remove Tool ist eines meiner Lieblingswerkzeuge. Ich schätze das Tool sehr, weil es mir in 99% der Fälle sehr gute Ergebnisse bei der Hautretusche liefert. Mein Workflow ist dadurch etwas langsamer geworden (trotz KI). Aber er ist gründlicher.

Ich retuschiere die Haut in all meinen Bildern.

Und was ist mit Bildgenerierung?

Ich habe es in einem früheren Artikel beschrieben. Es ist etwas albern, welche Art von künstlichen Bildern die KI derzeit generiert. Und besonders wenn viele Umwege gegangen werden müssen, um hohe Qualität zu erreichen, wird es lästig. Aber ja, es kommt vor, dass mir am Bildrand 300px fehlen und ich Photoshop diese hinzufügen lasse.

Das sind dann unspektakuläre Dinge wie eine Wand, die verlängert werden muss. Generative Fill erledigt das einwandfrei, selbst bei komplexen Licht- und Schattensituationen. Die KI-Unterstützung liefert bessere Ergebnisse als die alten Methoden wie Content Aware Fill oder das gute alte Stempel-Werkzeug.

Aber ich bleibe kritisch beim Einsatz von Generative Fill und mache keine verrückten Sachen. Das Tool verleitet schnell zu Spielereien. Vielleicht weil es immer drei mögliche Ergebnisse vorschlägt. So ist man versucht, schnell nach den nächsten drei Ergebnissen zu schauen. Davor möchte ich mich hüten.

Ausnahmen bestätigen die Regel

Aber ich habe auch in einem Einzelfall Schamhaare von Generative Fill erzeugen lassen und war mit dem Ergebnis sehr zufrieden (und auch damit, dass die KI es versäumt hat, den Körper einer nackten Frau zu erkennen, denn sonst hätte sie die Arbeit verweigert).

In einem anderen Fall habe ich Veloursstiefel in optisch ansprechendere Wildlederstiefel verwandelt. Ohne KI wäre das für mich technisch nicht möglich gewesen.

Fast immer geht es bei mir darum, Dinge zu entfernen. Störende Steckdosen, vergessene Ausrüstung im Hintergrund eines Bildes, vielleicht ein Kabel. Und Hautunreinheiten. Sehr selten verändere ich mit Hilfe von KI ein kleines Detail in einem Bild.

Aber grobe Manipulationen findet man in meinen Fotos nicht: Ein Model wird also nicht plötzlich auf dem Niagara-Wasserfall surfen oder vor lodernden Flammen stehen. Auch wenn ich es mir für eine Fotostrecke vorstellen könnte, wird sie keine Giftschlange mit KI um den Hals haben. Solche KI-Spielereien mag ich nicht.

Das bedeutet, dass sich nur die Werkzeuge im Werkzeugkasten geändert haben, aber die grundlegenden Retusche-Prinzipien für mich gleich geblieben sind.

Sollte die Verwendung von KI gekennzeichnet werden?

Bildbearbeitung gibt es, seit es Bilder gibt. Früher wurde beim Entwickeln mit partieller Aufhellung und Abdunklung gearbeitet. Seit ich professionell mit Photoshop arbeite, retuschiere ich auch Fotos. Ob Bildbearbeitung über einen Umweg erfolgt oder mit KI vereinfacht werden kann, ist mir aus moralischer Sicht egal. Aber das gilt nur für die Bearbeitung von Fotografien.

 

Wenn ich mir ein vollständig KI-generiertes Bild ansehe, würde ich gerne wissen, dass es kein echtes Foto ist.

Vielleicht sehen Sie das auch so.

Wird KI die Fotografie ersetzen?

Meine klare Antwort lautet nein.

Ich liebe die Fotografie viel zu sehr dafür. Ich möchte mit einem Menschen interagieren, wenn ich eine Fotoserie erstelle. Der Entstehungsprozess beinhaltet so viele spontane Inspirationen und Iterationen, dass ich das niemals aufgeben möchte. Und während das technische Ergebnis der KI-Bildgenerierung der Fotografie bald nahe kommen mag, kann der menschliche Faktor, die Seele, nicht ersetzt werden.

Und so wie heute viele Menschen zu den Wurzeln zurückkehren, ihr eigenes Gemüse anbauen und selbst kochen, so wird es auch bei mir und der Fotografie sein. KI hat ihren Reiz, aber ich sehe sie nicht als Konkurrenz in Bezug auf Kreativität.

Da die neue Welt (oder wie auch immer Sie die neuen KI-Entwicklungen von Adobe zum Beispiel nennen) Nacktheit ablehnt, ist mein Beruf auch nicht in Gefahr.

Ist das nun gut oder nicht?

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