Die Entmenschlichung der Fotografie

Die Entmenschlichung der Fotografie

Das Konzept eines Magazins mit KI-generierten Bildern anstelle von Fotos echter Models wurde nun tatsächlich umgesetzt. Die Erstausgabe des plAIboy Magazins ist nun gedruckt sowie digital erhältlich. Ist es nur ein Scherz oder traurige Realität?

Lesezeit: 3 Min.

Ich bin nicht vertraut mit australischem Humor. Aber die Australier meinen es scheinbar ernst. Denn sie haben tatsächlich einen Ableger namens "plAIboy" geschaffen und die Erstausgabe im Oktober 2024 herausgebracht. Es handelt sich dabei um ein Magazin ohne echte Fotos. Alle Fotos aller Modelle wurden KI-generiert und das obwohl das Cover Model Gina Stewart ein echter Mensch ist.

Das hat mich doch sehr verwirrt, dass selbst von einer echten Persönlichkeit, nur KI-generierte Bilder gezeigt werden.

Erstausgabe plAIboy Magazin Australien

plAIboy Magazin

Man mag dem Verlag zu Gute halten, dass er einfach der erste am Markt sein möchte, der die Zukunft eingeläutet hat. Das erzeugt Aufmerksamkeit und so berichte selbst ich — schlappe 15.000 Kilometer entfernt — darüber.

Eins kann man auf jeden Fall nicht verleugnen: Die Australier treffen damit messerscharf den Zeitgeist! Ich beschäftige mich sehr viel mit Zwischenmenschlichem und verfolge Entwicklungen in der Gesellschaft und besonders auch auf Social Media. Dass Menschen immer mehr in eine Smartphone-Welt flüchten und sich voreinander verstecken, scheint mir offensichtlich.

Kurz gesagt: Wir entfremden uns immer mehr voneinander. Eine zunehmende Distanzierung der Menschen wird spürbar. Kritisch betrachtet würde ich davon sprechen, dass unsere Gesellschaften erkrankt sind und sich nicht in einem guten Zustand befinden. Das kann ich zum Beispiel beobachten, wenn ich ein Flugzeug besteige und sehe wie süchtig die Mehrzahl der Passagiere am Smartphone klebt.

Es kann nicht gesund sein, wenn sich Paare in einem Café gegenüber sitzen, aber nicht miteinander kommunizieren, weil jeder mit seinem Telefon beschäftigt ist. Und ich sehe auch immer häufiger Autofahrer, die während der Fahrt den Blick gesenkt auf ihren Schoß haben, wo ihr Handy liegt.

Woher die Sucht und Flucht kommt, weiß ich leider nicht. Ich vermute, dass die Menschen einfach alle sehr unglücklich sind. Die Komplexität der Welt hat sie überrannt und so laufen sie einfach dem Mainstream hinterher. Das Smartphone ist als seriös angesehen, die Sucht damit akzeptiert.

Was hat das alles mit KI-generierten Fotos zu tun?

Es war schon vor über 30 Jahren möglich, 3D-generierte Figuren zu schaffen. Siehe zum Beispiel Arnold Schwarzenegger als Halbroboter in Terminator 2. Aber erst jetzt ist es einfacher geworden, realistisch wirkende Bilder von Menschen zu schaffen.

Die Erstausgabe des plAIboy wirkt noch offensichtlich fake. Da müssen wir uns nichts vormachen. Aber das ist ja erst der Anfang! KI-generierte Bilder erkennt man 2024 oft noch daran, dass sie einfach zu perfekt sind. Wenn die KI aber mal gelernt hat, Makel zum Beispiel bei der Beleuchtung einzubauen und dezent Hautunreinheiten erzeugt, dann können wir als Menschen keinen Unterschied mehr erkennen.

Muss man alles machen, weil es technisch möglich ist? Wo bleibt die Moral?

Das muss jeder für sich selbst beantworten. Es ist eigentlich das gleiche wie mit Schönheits-OPs und Retusche.

Auch ich habe als Kind eine Zahnspange getragen, um meine Zähne gerade zu richten. Und in meinen Fotos retuschiere ich jedes Muttermal weg, ein blöder Spleen von mir, der aber wirkt und Bilder reiner erscheinen lässt.

Wo ziehen wir also die Grenze? Und warum stören mich diese KI-Fotos überhaupt?

Ich glaube, es ist genau die Entmenschlichung, vor der ich Angst habe.

Bislang galt die Formel: Zu einem Bild gehören immer drei Menschen: Modell, Fotograf und Betrachter.

Bei KI-generierten Fotos werden einfach zwei Personen aus der Gleichung gestrichen und der Betrachter gewissermaßen verarscht. So empfinde ich es zumindest heute.

Und ich selbst fühle mich dabei ein bisschen wie die Künstler zu Zeiten des Jugenstils, die bewusst unnötige und übertriebene Verzierungen an Geländern und Fensterrahmen gestaltet haben, einfach um das Kunsthandwerk zu feiern und zu würdigen.

Alles nur noch schneller, sensationeller und billiger zu machen widerstrebt meinem Anspruch an Kunst und an mich selbst.

Bin ich da zu pingelig? Was denken Sie darüber?

Navigieren