Die Chemie der ersten Begegnung

Die Chemie der ersten Begegnung

Neulich saß ich beim Friseur. Einem neuen, der nur drei Minuten von mir entfernt ist. Er schneidet gut, keine Frage. Aber während ich da so sitze und in den Spiegel starre und er konzentriert meine Haare bearbeitet, beschleicht mich dieses seltsame Gefühl: Ich weiß einfach nicht, was ich mit ihm reden soll. Die Stille zwischen uns fühlt sich an wie eine zu lange Pause in einem schlecht geschriebenen Theaterstück. Wir sprechen höflich miteinander, über das Wetter, über den Kiosk nebenan. Aber es fühlt sich an wie ein Tanz, bei dem beide Partner unterschiedliche Musik hören.

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Das brachte mich zum Nachdenken. Als Fotograf bin ich doch so etwas wie ein professioneller Erstkontakter. Ein hauptberuflicher Fremder. Und nach hunderten solcher Begegnungen beginnt man, Muster zu erkennen.

Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Als Fotograf bin ich so etwas wie ein professioneller Erstkontakteur. Ein professioneller Fremder, wenn man so will. Und nach Hunderten solcher Begegnungen beginnt man, Muster zu erkennen.

Kürzlich stieß ich auf ein faszinierendes Phänomen: Wenn man zwei Metronome in einem Raum aufstellt, unterschiedlich eingestellt, werden sie sich nach einer Weile synchronisieren. Wie von Geisterhand finden sie einen gemeinsamen Rhythmus. Ähnlich fühlt es sich manchmal bei Begegnungen an. Bei manchen Menschen pendeln wir uns sofort ein, bei anderen bleiben wir asynchron, egal wie lange wir es versuchen.

Bei längeren Fotoreisen habe ich sogar schon eine Art fotografisches Stockholm-Syndrom erlebt. Nach Tagen intensiver Zusammenarbeit entwickelt man eine seltsame Verbindung zu seinen Modellen. Man teilt Momente, Mahlzeiten, manchmal sogar kleine Krisen. Und irgendwann stellt man fest, dass man sich unbewusst aufeinander einschwingt, wie diese Metronome.

Das Faszinierendste daran: Es hat nichts mit Sympathie im klassischen Sinne zu tun. Auch nicht mit romantischer Anziehung. Es ist etwas anderes. Etwas, das Psychologen als "Rapport" bezeichnen — jenen geheimnisvollen Zustand, in dem zwei Menschen mühelos auf einer Wellenlänge funken.

Als Fotograf erlebe ich regelmäßig, wie unterschiedlich erste Begegnungen verlaufen können. Bei manchen Shootings fließt das Gespräch wie ein warmer Sommerregen, bei anderen bleibt es bei der Wettervorhersage. Und beides ist völlig in Ordnung. Denn auch die sachlich-distanzierte Professionalität hat ihre eigene Qualität — wie bei meinem neuen Friseur. Manchmal braucht es eben keine tiefgründigen Gespräche, sondern nur jemanden, der sein Handwerk versteht.

Was ich gelernt habe: Diese Verbindungen lassen sich nicht erzwingen. Sie entstehen oder eben nicht. Das Einzige, was man tun kann, ist offen zu sein. Authentisch zu bleiben. Und sich immer wieder aufs Neue überraschen zu lassen, von der Vielfalt menschlicher Begegnungen.

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