Wir Fotografen sind ja sowas wie professionelle Momentediebe. Mit der Kamera in der Hand streifen wir durch die Zeit und versuchen einzufangen, was sich ständig verändert. Wie neulich, als ich eine Wolke beobachtete, die für einen kurzen Moment aussah wie ein Brathuhn. Zwei Minuten später war sie nur noch ein gewöhnlicher Schleier am Himmel.
Meine Heimatstadt Frankfurt ist auch ein gutes Beispiel. Locations, an denen ich vor zehn Jahren noch atmosphärische Aufnahmen gemacht habe, existieren heute nicht mehr. Hier stehen jetzt neue Hochhäuser. Und selbst die Sanddünen auf Fuerteventura, mein liebstes Naturstudio, verändern Jahr für Jahr ihr Gesicht.
Aber es sind nicht nur die Orte. Wenn ich heute Bilder von 2014 ansehe, erkenne ich nicht nur das Motiv von damals. Ich sehe auch den Simon von damals, mit seinem ganz eigenen Blick auf die Welt. Und nein, das ist keine sentimentale Altersweisheit, sondern schlicht eine Beobachtung.
Besonders deutlich wird diese Zeitreise bei meinen Aktaufnahmen. Die Frauen vor meiner Kamera sind meist Mitte zwanzig. In diesem Alter ist der menschliche Körper wie eine perfekt gereifte Frucht, knackig, voller Leben und in seiner ästhetisch reinsten Form. Die Schwerkraft hat ihre Arbeit noch nicht begonnen, jede Bewegung hat diese jugendliche Frische, die später unweigerlich verloren geht.
Das ist keine romantische Verklärung, sondern die gerne verleugnete unbequeme Wahrheit des Alterns. Und kommen Sie mir jetzt nicht mit "50 ist das neue 40" oder so. Zu unterspritzten Wangen und aufgespritzten Lippen müsste ich einen eigenen Blog-Artikel schreiben.
Was ich sagen will: In einer Zeit, in der sich alles permanent und rasend schnell verändert, schaffen wir Fotografen mit unseren Aufnahmen also kleine Ewigkeiten. Fotos konservieren diese guten Zeiten und Seiten — das ist die eigentliche Magie unseres Handwerks. Denn man kann die Zeit nicht mehr zurück drehen. Auch nicht mit Schönheits-OPs.
Die Ironie dabei: Während sich die Technik ständig verbessert, höhere Auflösung, bessere Bildschärfe, digitale Perfektion, jagen wir eigentlich immer noch dem gleichen nach: diesen flüchtigen Momenten, die wie Sandkörner durch unsere Finger rieseln.
Aber mal ehrlich: "Der Berg wartet nicht auf den Bergsteiger"? Mein Unterbewusstsein hätte auch etwas weniger dramatisch sein können.