Reise-Notizen: Paris

Reise-Notizen: Paris

Immer, wenn ich auf Reisen bin, merke ich wie wichtig es ist, von zu Hause weg zu kommen. Das klingt komisch, denn wenn ich zu Hause bin, will ich eigentlich gar nicht mein gewohntes Umfeld verlassen. Ich habe mir zu Hause eine gute Infrastruktur eingerichtet und kann sehr gut arbeiten. Dazu ist unser Haushalt gut organisiert, die Speisen sind geplant und ich mache fünf mal pro Woche Sport.

Lesezeit: 6 Min.

Aber die Energie und Inspiration kommt auf Reisen. Ich habe dann ein besonders offenes Auge für neue Eindrücke. Nehme alles um mich herum intensiv wahr.

Es sind oft die kleinen Dinge des Lebens, die mich dabei inspirieren. Und eigentlich immer Dinge, bei denen man noch gar nicht weiß, dass es Inspiration ist, weil es in einem weiter arbeitet und erst Jahre später in einem eigenen Projekt in irgendeiner Form Verwendung findet.

Und so ist es auch, wenn ich nach Paris komme. Die Stadt hat eine unglaubliche Energie. Ich frage mich immer, woher die Energie kommt. Sind es die Menschen? Einfach, weil es viele Menschen sind? Oder weil es so viele unterschiedliche Menschen sind? Weil die Stadt als Zentrale Frankreichs angelegt wurde und entsprechend alles dort zu finden ist?

Dior ist bereit für Weihnachten

Straßenszenen aus Paris

Da gibt es eine Straße mit vielleicht zwanzig Gitarrengeschäften. Von der E-Gitarre bis zur Akustik-Klampfe, für jeden ist etwas dabei. Und die Geschäfte waren alle gut besucht. Ich hätte nicht gedacht, dass dies so ein Markt ist. Aber es gibt wohl viele Musiker und Musikbegeisterte da draußen. Ähnlich wie ich mit meiner Fotografie auch in einer Blase lebe.

Dann sehe ich den jungen Penner mit einem Schäferhund, biege um die Ecke und dort liegt ein frischer, weicher, dampfender, ekliger Haufen Hundekacke mitten auf dem Trottoir. Ich glaube, ich kenne den Verursacher.

Ein paar Blocks weiter, es wird langsam dunkel, steht ein großer schwarzer Mann mit Mütze an ein schwarzes Faß gelehnt, das mit einem Schraubdeckel verschlossen wurde. Es ist höher als ein gewöhnliches Wasserfass und direkt denke ich, hier könnte auch eine Leiche reinpassen.

Ein Haus weiter ist eine Pizzeria. Oder ein Schnell­imbiss der Pizza anbietet. Die Pizza des Tages heißt:
La Cannibale.

Es sind diese Bilder, die mein Kopfkino starten. Und ich bin vielleicht aufmerksamer als sonst, weil mir alles fremd ist. Weil ich die Umgebung nicht kenne und auch auf der Hut sein muss. Schließlich sind alle wichtigen Dinge heute im Handy gespeichert: Die Zugfahrkarte, die Eintrittskarte, die Adresse meines Hotels. Das darf mir also nicht abhanden kommen.

Paris Photo im Grand Palais

Das Grand Palais innen

Aber eigentlich bin ich ja für die Paris Photo Messe in der Stadt, freue mich auf eine Einladung zu einer Vernissage am Abend, werde nette Kollegen treffen und habe zudem zwei Shootings geplant. Ein straffes Programm also.

Die Messe findet im Grand Palais statt. Ein historisches Gebäude mit großer Glaskuppel-Decke und majästetisch steht es in der Stadt. Direkt in der Nachbarschaft zur Champs-Élysées, wo die Schönen und Reichen, hauptsächlich auf jeden Fall Touristen, die Luxusgeschäfte aufsuchen. Es ist November und Weihnachten steht bald bevor. So sind die Geschäfte großartig geschmückt: Mit metergroßen silbrig glänzenden Zuckerstangen oder Schneelandschaften mit animiertem Kometen per Bildschirm dahinter.

Ich bin wie immer zu früh. Blöderweise habe ich ein Feierabend-Ticket genommen. Es war sechs Euro billiger, aber vor allem wusste ich, dass ich mit Zugfahrt und Checkin ins Hotel, ohnehin nicht früher kommen könnte.

Jetzt bereue ich das, denn die Schlange der Feierabend­ticket­käufer ist lang. Mit Platz 200 von 500 habe ich aber eine gute Position in der Reihe der Wartenden.

Als es endlich losgeht, wimmelt man mich an der Garderobe ab. Meine Jacke solle ich anbehalten, es sei kalt auf der Messe. Irgendwie fand ich das unprofessionell, aber es stimmte. Die Temperatur war nicht sehr hoch und alle Menschen liefen in ihren Winterjacken herum. Es waren so viele, dass es schwer war, entspannt Bilder zu betrachten.

Messe-Eindrücke

Ich besuche die Messe, um mir einen Überblick zu verschaffen, was sich fotografisch am Kunstmarkt tut. Vielleicht gibt es neue Trends zu entdecken, auf jeden Fall aber kann ich für mich persönlich dieses Spiel spielen: Bei welchem Bild bleibe ich hängen. Und warum? Was spricht mich an und wie lange?

Die klassischen Besucher bleiben länger. Ein paar Käufer sind sicherlich auch dabei, aber die wenigsten können sich die teuren Werke der Galerien leisten, schätze ich.

Nach knapp 90 Minuten bin ich durch. Habe alles gesehen. Habe ich alles gesehen? Ich weiß es nicht. Ich bin überfordert von meinen vielen Eindrücken und hoffe, alles aufgesogen zu haben. Es fühlt sich anstrengend an, so viel zu sehen. So viel neues. Und dann auch wieder langweilig und abgehoben an anderen Stellen.

So wie es so oft ist, wenn Akademiker aufeinander treffen und sich beweisen müssen, dass sie etwas Besonderes sind.

Als ich durch die Buchabteilung spaziere, merke ich, wie heiß das Thema Fotobuch für viele Besucher ist. Vielleicht, weil hier die Fotokunst noch bezahlbar ist. Für jeden erschwinglich. Mit Sicherheit wäre ich hier im Nullkommanix auch ein paar Bücher losgeworden. Aber ich bin ja kein Aussteller und als Selbstverleger könnte ich mir auch nie einen Stand leisten.

Der Abend

Zum Abendessen treffe ich Holger, einen Fotografen aus Hannover. Wir essen Ente à l'Orange und plaudern über unsere Leben. Anschließend gehen wir zur Vernissage Instant Art, wo Polaroids ausgestellt werden.

Dort treffe ich viele alte Bekannte wieder: Stefan Rappo, Thomas Berlin, Merzi und Olivia, die heute Geburtstag hat. Ich bleibe nicht sehr lange, weil am nächsten Morgen um 9 Uhr mein erstes Shooting beginnt.

Mein Uber zurück zum Hotel braucht über eine halbe Stunde. Selbst nachts ist in Paris Stau.

 

Ente à l'Orange

Das erste Shooting

Mein erstes Modell ist eine ehemalige amerikanische Playmate. Sie ist Französin und wollte schon immer mit mir arbeiten. Wir hatten besprochen, dass sie nur ein zwei Lieblings-Wäschestücke mitbringen soll, aber sie kommt mit einem ganzen Rollkoffer voll Unterwäsche. Irgendwie ist das nichts Neues für mich.

Dann entscheide ich eben, was mir gefällt. Sie hat einen perfekten Körper und ist super nett. Vor allem spricht sie Englisch. Aber ich lerne auch eine wichtige Vokabel: Mietzekatze heißt Minou. Und dieses Wort sollte ich zukünftig besser verwenden, wenn ich einer Französin etwas wie Muschi sagen möchte. Bislang kannte ich nur vulgäre Begriffe. Da helfen einem Übersetzungs­programme nämlich nicht.

Angelique

Das zweite Shooting

Am Nachmittag treffe ich Nastya. Sie ist wie eine Muse für mich und schon aus der Ferne erkenne ich sie auf mich zukommen. Sie sticht aus der Masse an Menschen hervor mit ihren langen blonden Haaren. Im grünen Mantel, darunter Lagenlook, mit ihren schwarzen Stiefeln mit 10cm dicker Sohle, sieht sie sofort aus wie ein Pariser Fotomodel. Irgendwie witzig.

Sie raucht ihre Zigarette fertig und wir brauchen keine lange Anlaufphase. Wir haben schon oft miteinander gearbeitet und ich hoffe, es werden noch weitere Shootings folgen. Sie fühlt sich frei und ungezwungen. Die Chemie zwischen uns stimmt.

Ostbahnhof

Die Heimreise

Jetzt reise ich zurück nach Frankfurt. Die vernebelte Novemberlandschaft zieht an mir vorbei. Nein, sie fliegt, denn der ICE ist noch auf der französischen Seite unterwegs und jagt mit 320 km/h durch die Prärie. Sobald wir Deutschland erreichen, wird es wieder ein Stop-and-Go bei um die 80 bis 100 km/h geben und die letzten 250 Kilometer ziehen sich wie Kaugummi.

Meine vielen Eindrücke werde ich erstmal in Ruhe verarbeiten. Aber eins habe ich mir geschworen: Ich brauche so etwas regelmäßig. Damit ich nicht im eigenen Saft schmore und neue Energie tanke.

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