Der Kampf gegen die Akt-Fotokalender

Der Kampf gegen die Akt-Fotokalender

In Deutschland haben Fotokalender für Handwerksbetriebe und Werkstätten eine lange Tradition. Es gehörte zum guten Ton, seinen Kunden Kalender zu schenken. Ich selbst habe einzelne Kalender für verschiedene Industrieunternehmen fotografiert. Diese Tradition scheint zu Ende zu gehen.

Lesezeit: 4 Min.

Jeder hat wahrscheinlich schon vom Pirelli-Kalender gehört. Seit 1964 gilt der Kalender als eines der bekanntesten Kunstprojekte der Welt und hat im Laufe der Jahre viele berühmte Fotografen und Models angezogen. Er ist nicht öffentlich erhältlich, sondern wird ausschließlich als Geschenk an ausgewählte Kunden und Geschäftspartner von Pirelli verteilt.

Der Kalender war umstritten und einige sagen, die Fotografien könnten als sexuell anzüglich oder sogar sexistisch angesehen werden. 2021 wurde angekündigt, dass der Kalender eingestellt wird, und ich selbst war mir nicht bewusst, dass es ihn tatsächlich wieder gibt.

In meiner Reifenwerkstatt hängt noch ein alter Pirelli-Kalender an der Wand mit sehr schönen Aufnahmen. Die neueren Motive mit bekleideten Models kamen bei den Arbeitern dort nicht so gut an.

Die Fotos im Pirelli-Kalender 2023 sind sehr atmosphärisch und schön geworden. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie in eine Autowerkstatt passen. Sorry.

Es kommt mir sogar ein bisschen wie intellektuelle Attitüde oder ein Umerziehungsversuch vor. Vielleicht sind die Bilder für mich persönlich einfach zu brav und passen nicht zur immer noch eher männlichen Zielgruppe.

Oder ist der neue Pirelli nur ein Kalender für die Führungsetagen und die Arbeiterbasis bekommt diesen Kalender gar nicht mehr zu sehen?

Urteilen Sie selbst:

Andere Beispiele

Die Diskussion über Sexismus hat auch das Thema Kalender bei anderen Unternehmen erreicht. Das deutsche Industrieunternehmen Würth hat zum Beispiel angekündigt, dass es ab 2023 keine Würth-Kalender mehr geben wird.

Dabei gab es bereits im Würth-Kalender 2022 keine nackten Frauen mehr (und nicht einmal Frauen, die Produkte halten), wie Sie unten sehen können. Und es gab auch schon einen Kalender mit Männern.

Unter diesem Aspekt finde ich die Diskussion über Sexismus und Objektifizierung etwas überraschend.

 

Bereits 2019 wurde die Produktion des Stihl-Kalenders mit leicht bekleideten Frauen eingestellt, nachdem die schwedische Forstbehörde der deutschen Stihl-Gruppe drohte, keine Geräte mehr von Stihl zu kaufen, wenn weiterhin Kalender mit Frauen erscheinen würden. Stihl produziert jetzt nur noch einen Timber-Sports-Kalender — von mir aus.

Was ist Objektifizierung?

Heutzutage ist die Gesellschaft sehr vorsichtig geworden, wenn es um die Darstellung von Frauen geht. Die Sexismus-Karte wird schnell gezogen und aus meiner Sicht ist das oft übertrieben. Ich selbst habe nie Fotos gemacht, bei denen Frauen als Sexobjekte neben Produkten eines Industrieunternehmens dargestellt wurden. Das war schon immer dumm, oder?

Aber was spricht gegen kunstvolle Fotos von hübschen Frauen im Kontext der Unternehmensaktivitäten? Also bei Stihl zum Beispiel nackte Frauen im Wald? Gerne auch nackte Männer im Wald, wenn Sie möchten.

Es ist offensichtlich schwierig, Aktfotografie als Kunst zu verstehen.

Was ist mit Firmenkalendern?

Ein Kalender ist ein großartiges Kundenbindungsinstrument. Ihre Marke wird jeden Tag in Erinnerung gerufen, weil Sie prominent am Arbeitsplatz ausgestellt sind.

Es kommt sehr auf die Bildsprache des Kalenders an. Genau hier liegt die Kunst! Die richtige Tonalität zu finden, damit die Aktfotos nicht billig wirken, sondern stilvoll sind.

Es ist absolut klar, dass ein Kalender niemals persönliche oder gesellschaftliche Werte verletzen sollte. Aber wer definiert diese Werte eigentlich?

 

Ich finde es absolut in Ordnung, wenn Unternehmen beschließen, keine Aktkalender mehr zu produzieren. Gesellschaftliche Entwicklungen finden immer statt und Dinge ändern sich.

Trotzdem muss ich ehrlich zugeben, dass mir die Pirelli-Kalender aus den 90ern besser gefallen haben als die aktuellen Motive. Und dass ich es nicht schlimm finde, wenn in einer Autowerkstatt ein Foto einer nackten Frau (auch z.B. ein Centerfold-Poster) hängt. Ich sehe daran nichts Anstößiges.

Übrigens hätte ich auch nichts dagegen, wenn in einem Spind ein Foto eines nackten Mannes hängt. Etwas mehr Gelassenheit wäre angebracht!

Ist die Gesellschaft zu sensibel geworden?

Ich bin überzeugt, dass etwas mehr Leichtigkeit, Nonchalance und Toleranz guttun würden. Gleichzeitig möchte ich mich klar von Machismus und Beleidigungen distanzieren. Frauen als Objekte zu sehen, ist nicht ok. Aber Aktfotografie als Kunst zu sehen, ist vollkommen in Ordnung.

Es wäre schön, wenn eine offene Gesellschaft mehr Toleranz entwickeln und nicht überall Skandale wittern würde.

Was Kalender betrifft, die einen finden sie doof, die anderen toll. Sollte eine Gesellschaft nicht damit umgehen können?

Nicht alles ist heute automatisch gut, nur weil es in der Vergangenheit gut war. Aber nicht alles, was in der Vergangenheit gut war, ist deshalb heute schlecht.

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