Wo möchte ich leben?

Wo möchte ich leben?

Dies ist wieder einmal ein sehr persönlicher Artikel. Ich stelle mir die Frage, wo ich in Zukunft leben möchte. Bis heute lebe ich genau 25 Jahre in Frankfurt. Nirgendwo anders habe ich länger gelebt. Dabei ist Frankfurt eigentlich keine gute Stadt für einen Fotografen.

Lesezeit: 4 Min.

Insgesamt ist Frankfurt keine gute Stadt mehr. Als ich damals hierherkam, pulsierte Frankfurt vor Leben. Frankfurt war die Techno-Metropole und Clubs wie das Omen und das Dorian Gray machten mich glücklich und gaben mir das Gefühl, am richtigen Ort zu sein.

Dann habe ich hier studiert. Die Stadt bot reichlich Einkaufsmöglichkeiten und was mich beeindruckte, war, dass es immer viele Wege zum Ziel gab. Wer sich auskannte, konnte jeden Stau vermeiden. Es gab auch kostenlose Parkplätze. Und viele Veranstaltungen. Ein großartiger Ort für einen jungen Menschen.

Nach dem Studium versuchte ich, hauptberuflich Fotograf zu werden, und fasste langsam Fuß. Das Leben in Frankfurt hatte drei Vorteile: Deutschlands größter Flughafen, gute Bahnverbindungen und das Bewusstsein, dass ich kein Dorffotograf war. Aus Frankfurt zu sein klang wichtig. Eher eine Imagefrage, gut dafür, ernst genommen zu werden.

Ja, natürlich gibt es noch andere Vorteile. Wenn ich Kameraausrüstung mieten wollte, war der Verleih gleich um die Ecke. Und eine Großstadt ist anonym. Niemand schaut dich blöd an, weil sich niemand für dich interessiert. Die Leute tratschen nicht über meine Arbeit.

Was an Frankfurt noch toll ist: Ich kann meinen Morgenlauf am Mainufer machen. Ganz in der Nähe gibt es eine neue Skateranlage. Aber wie oft gehe ich noch Skateboard fahren? Und könnte man nicht überall joggen?

Wenn ich darüber nachdenke, hat sich Frankfurt stark verändert. Die Pandemie hat die Abwärtsspirale beschleunigt. Viele Geschäfte mussten schließen. Sogar einige Hotels und Restaurants sind verschwunden. Es gibt weniger Messen, nicht viele Touristen.

Frankfurt ist jetzt eine unglaublich schmutzige und kriminelle Stadt.

Aber es gibt so viele Junkies, Dreck und Kriminalität im gesamten Bahnhofsviertel hier, dass man diesen Teil der Stadt getrost als No-Go-Area bezeichnen kann. Da ich ganz in der Nähe wohne, kann ich das nicht ignorieren.

Mein Fahrrad wurde kürzlich in der Innenstadt gestohlen. Es war angeschlossen und ich war nur eine Stunde im Fitnessstudio. Die Stadt ist einfach härter geworden. Überall lungern Penner herum und das ist wirklich keine Übertreibung.

Ich habe kurz überlegt, diesen Artikel mit Bildern zu illustrieren, die das ganze Elend in der Stadt zeigen. Aber dann habe ich mich dagegen entschieden. Dies soll keine Anklage gegen die Stadt Frankfurt sein. Kein offener Brief.

Ja, ich bin schwer enttäuscht von der negativen Stadtentwicklung und fühle mich hier nicht mehr wohl. Aber es ist meine freie Entscheidung die Stadt zu verlassen.

Die Mülltonnen vor unserem Haus werden mehrmals pro Woche durchwühlt, die Aggression auf der Straße hat zugenommen. Man geht einkaufen und steht plötzlich mitten in einer Auseinandersetzung zwischen einem Dealer und einem Junkie, bei der Tränengas versprüht wird. Am helllichten Tag. Leider ist das hier normal geworden.

Ich kann damit umgehen. Nichts schockiert mich mehr, weil ich alles gesehen habe. Das bedeutet nicht, dass ich irgendetwas davon sehen oder erleben möchte.

Wenn ich zum Beispiel in einem Biergarten sitze und keine zehn Meter entfernt jemand sich eine Spritze setzt und jemand anderes eine Crackpfeife raucht, fühle ich mich wie im falschen Film.

Der Stadtrat ignoriert das alles. Eine Gesellschaft muss damit umgehen können ist ihre Ausrede dafür, nichts zu tun, um die Situation zu ändern. Politiker schließen lieber Straßen für Autos, da der Klimawandel jetzt das Thema Nummer eins ist. Dass die Menschen nicht zum Spaß fahren, sondern zum Beispiel mit Stativen im Gepäck zu einem Kundenshooting wollen, daran denkt hier niemand.

Sich in der Stadt zu bewegen ist definitiv schwieriger geworden. Die Autofeindlichkeit hat absurde Ausmaße erreicht. Ich fahre gerne mit dem Fahrrad, aber nicht zu Kundenshootings und nicht beim Wocheneinkauf.

Lange Rede, kurzer Sinn

Ich stelle mir die Frage, warum ich in Frankfurt bleiben sollte. Ich bin jetzt 46 Jahre alt und würde gerne wieder woanders leben, mit Freude und Elan. An einem Ort mit besserer Lebensqualität. Und vielleicht sogar besseren Möglichkeiten für mich als Fotograf.

Aber wo ist dieser Ort?

Spontan dachte ich an Ibiza. Aber würde mir die schöne Landschaft genügen? Wäre es nicht langweilig, nur dort zu fotografieren? Also vielleicht eher an einem Ort mit guten Verkehrsanbindungen? Wie wäre es mit einem Vorort von Amsterdam? Die Holländer können modern bauen und sie sind mir sehr sympathisch. Aber was ist mit all dem Regen?

Also vielleicht wäre es besser, in Deutschland zu bleiben? In einer Kleinstadt, mit weniger Stress. Welche Stadt könnte das sein? Passau. Nah an Tschechien. Kehl. Direkt an der französischen Grenze. Würde ich mich in so einer kleinen Stadt nicht verloren fühlen? Und wo würde ich dort Jobs bekommen? Oder Wien. Erschwinglicher und schön, aber ist es nicht zu groß als Stadt?

Frei zu sein ist nicht immer einfach.

Veränderung ist immer schwierig. Wenn es um meine eigene Zukunft geht, finde ich es besonders schwierig. Ich bin nicht gezwungen, neu anzufangen. Das möchte ich überhaupt nicht. Aber inzwischen kenne ich meine Bedürfnisse sehr gut. Ich hätte nur gerne wieder mehr Lebensqualität und frage mich, ob das Konzept der Großstadt nicht sogar gescheitert ist (weltweit).

Wie finde ich einen Ort, an dem es ruhig, aber nicht tot ist? Einen Ort, an dem weltoffene Menschen leben, die in Aktfotografie eher Kunst als Schmutz sehen. Und einen Ort mit guten Verkehrsanbindungen. Aber gleichzeitig noch bezahlbar. Ich hoffe, ich kann diese Fragen in den nächsten Jahren beantworten.

Wo kann ich als Fotograf besser leben?

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