Kunst versus Dekoration

Kunst versus Dekoration

Ich habe mich gefragt, was der Unterschied zwischen Kunst und Dekoration ist. Hat Kunst Vorrang vor Dekoration? Und ist Fotografie überhaupt Kunst? Das Thema ist sehr umfangreich und ich könnte vielleicht eine Doktorarbeit darüber schreiben. Dann wäre ich ein Doktor der Fotografie. Aber ich schätze Titel weder so sehr, noch existiert dieser Titel. Dennoch denke ich immer noch über diese Fragen nach.

Lesezeit: 5 Min.

Als ich ein Kind war, fragte ich mich, welche Bilder in einem Museum landen würden. Ein Museum war der Ort für Kunst. Das war also damals mein Maßstab. Meine Antwort war, dass man wahrscheinlich besonders gut im Malen sein muss. Auf jeden Fall besser als die anderen.

Jakob Alt, Der Garten von Laudaya, 1841 (mit Genehmigung unter den Bedingungen der Lizenz CC BY-SA 4.0 Städel Museum, Frankfurt am Main)

Meine Eltern hatten einen Druck eines Gemäldes von Paul Klee aufgehängt und für mich sah es nicht viel anders aus als Kekse auf einem Backblech. Wenn er damit berühmt werden konnte, war er wahrscheinlich der Erste, der andere Menschen mit solchen Grafiken überraschte, dachte ich mir.

Auch wenn diese Ansichten kindlich sind, würde ich die Fragen als Erwachsener heute noch ähnlich beantworten.

Ein Kunstwerk entsteht nicht durch das Reproduzieren der Realität, sondern vielmehr durch die Interpretation eines Moments. Das gilt für Gemälde ebenso wie für Fotografien.

Durch die Wahl eines Blickwinkels bei einer bestimmten Brennweite, das Beschneiden des Bildausschnitts, die Kontrolle der Schärfe und durch die Nachbearbeitung wird der Inhalt des Bildes gesteuert. Und das resultierende Bild wird im Betrachter etwas auslösen oder nicht.

Das ist wahrscheinlich der Knackpunkt. Denn ein Betrachter wird nicht automatisch dasselbe empfinden wie der Künstler. Wenn ich ein Foto mache, war ich dort, habe mit dem Model kommuniziert und nur ich weiß, warum ich was und wie gemacht habe. Ohne weitere Erklärung muss diese Fotografie beim Betrachten Emotionen wecken. Für mich ist das eine der wahren Bedeutungen von Kunst.

Bilder zu machen ist einfach.
Aber Fotografie ist eine sehr schwierige Kunst.

Pontus Hulten

Ich habe acht Semester Kunstgeschichte studiert und vieles davon war mir zu viel. Zu theoretisch. Zu viel Geschwätz und Interpretation. Wir leben in einer Welt der Reizüberflutung. Ich sehe Kunst als eine Form der Unterhaltung. Kunst muss gefallen, würde ich heute behaupten.

Das bedeutet nicht, dass ich Werken den Kunststatus abspreche, die zum Beispiel schockieren, auf Missstände aufmerksam machen oder provozieren. All das hat auch seine Berechtigung. Aber genauso wie ich Thriller nicht mag, weil sie mir persönlich zu brutal sind und mir nicht guttun, möchte ich selbst von Kunst positiv angesprochen werden.

Kunst soll in mir ein positives Gefühl auslösen. Wie Sie sehen, haben Definitionen zu diesem Thema immer eine sehr subjektive Ebene. Und es ist wahrscheinlich, dass Ihre persönliche Definition anders sein wird.

Bei der Recherche für diesen Artikel bin ich auf etwas Erstaunliches gestoßen. Bereits 1932 schrieb Maxim Kopf „Kunststile vergehen, aber die Grundgefühle, aus denen sie lebten, bestehen weiter und kommen immer wieder zum Vorschein. [...] Denn Stile leben immer aus einer bestimmten menschlichen Grundhaltung [...] was durch die Geschichte geschieht, ist nichts anderes als der Mensch, der sich in den zahlreichen Möglichkeiten seines Fühlens und Weltverständnisses entfaltet."

Dem würde ich sofort zustimmen. Bei Kunst geht es um Gefühl und Gefühle.

Die Frage bleibt: Wann ist Fotografie Kunst und wann ist sie nur ein Schnappschuss? Um dies zu beantworten, wird häufig Susan Sontags „Diktum des Neuen" als Kriterium für den künstlerischen Gehalt einer Fotografie angeführt: die Erkundung neuer formaler Möglichkeiten, die Erfindung neuer Bildsprachen und fotografischer Sehweisen. Es geht also nicht um technische Perfektion, sondern darum, etwas „Neues" zu schaffen. Ein Kunstwerk muss Fragen aufwerfen. Was löst das Bild in mir aus? Eröffnet es mir einen neuen Blick?

Was ich aus diesen Definitionen ohne Zweifel mitnehme, ist, dass Kunst nicht einfach passiert. Kunst ist kein Zufall, sondern das Ergebnis eines Prozesses. Oder wie Karl Valentin es einmal ausdrückte: „Kunst ist schön. Macht aber viel Arbeit."

Wenn es um die Frage geht, wie neu etwas sein muss, um als Kunst zu gelten, komme ich ins grübeln. Denn was für den einen neu ist, ist für den anderen alt. Wir alle lernen durch Erfahrung und saugen visuelle Eindrücke wie Schwämme auf. Wir schaffen unsere eigenen Verbindungen und mischen alles wieder neu.

Sich wiederholende Posen in meiner Arbeit

Ich möchte immer neue Blickwinkel und Perspektiven finden. Ich strebe danach, mich in meiner Arbeit nicht zu wiederholen. Aber es ist nicht möglich, immer nur Neues zu erschaffen. Ich fotografiere bestimmte Posen und Situationen immer wieder, z.B. ein Model mit hinter dem Kopf verschränkten Armen.

Ist eine solche Pose schlechter, weil die Darstellung nicht einzigartig ist? Kann das Foto kein Kunstwerk mehr werden, nur weil etwas Ähnliches bereits existiert hat?

Mit Kunst dekorieren

Werkstatt zur Restaurierung von Jugendstil
Jugendstil-Klingelschild in Barcelona

Als ich den Jugendstil studierte, fiel mir auf, dass hier das Handwerk gefeiert wurde. Eine ganze Epoche beschäftigte sich mit Dekoration, Ornamentik und Verschönerung. Man muss das nicht unbedingt mögen. Aber wir sind uns doch alle einig, dass verdammt viel Arbeit dahintersteckt, oder? Und der Zweck dieser Dekoration ist es, unser Alltagsleben schöner zu machen.

Für mich bedeutet das, dass Dekoration kein abwertender Begriff sein sollte. Persönlich würde ich hinzufügen, dass Ästhetik von größter Bedeutung ist, wenn es um Kunst geht. Ich möchte ein Bild genießen und eine gewisse Bewunderung für das Schöne empfinden.

Nun könnte ich weiter über Anmut und Sinnlichkeit philosophieren, aber ich hatte versprochen, keine Doktorarbeit zu schreiben. Und während dieser Artikel vielleicht mehr Fragen aufwirft als er beantwortet, glaube ich, dass dies keine ganz unwichtigen Fragen sind, wenn man sich mit Fotografie und Kunst beschäftigt.

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