Wie Smartphones die Vision der Fotografie neu gestalten

Wie Smartphones die Vision der Fotografie neu gestalten

Die Fotografie hat seit den Tagen von Filmkameras und Dunkelkammern einen weiten Weg zurückgelegt. Mit dem Aufstieg der digitalen Technologie und der allgegenwärtigen Präsenz von Smartphones hat sich die Fotografie völlig verändert. Ist Ihnen aufgefallen, dass ein Foto kein Foto mehr ist?

Lesezeit: 4 Min.

Nach der klassischen Definition ist eine Fotografie ein Bild, das durch Licht entsteht, das auf eine lichtempfindliche Oberfläche fällt, üblicherweise ein fotografischer Film oder ein elektronischer Bildsensor. Lichtteilchen (Photonen genannt) liefern das Abbild der Realität.

Natürlich war es schon immer so, dass man eine bessere oder schlechtere Kamera haben konnte, die bestimmte, wie gut das Bild aufgelöst wurde. Das optische Objektiv spielte auch eine wichtige Rolle, indem es zum Beispiel entschied, wie scharf etwas abgebildet werden konnte.

Eine Widerspiegelung der Realität hat es ehrlich gesagt nie wirklich gegeben. Denn allein durch den Blickwinkel und die Komposition hat der Fotograf immer entschieden, was er zeigen wollte und was nicht. Da ein Bild zweidimensional ist und die Realität drei räumliche Dimensionen hat, war jedes Foto immer nur eine Annäherung.

Aber eine, an die wir uns über Jahrzehnte gewöhnt haben. Wir Menschen hatten einen Konsens darüber, was ein Foto ist und wie ein Foto entsteht.

Heimlich, still und leise hat sich dies im letzten Jahrzehnt verändert und ist tatsächlich seit etwa drei Jahren drastisch anders geworden. Das liegt daran, dass die meisten Fotos heutzutage mit Smartphones erstellt werden. Ein Smartphone hat ein lächerlich kleines Objektiv, geradezu beschämend im Vergleich zu dem, was man bei professionellen Kameras bekommt. Und der Sensor ist genauso winzig.

Viele Smartphones haben eine Bildsensorgröße von nur 0,315 Zoll. Im Premium-Segment gibt es 1-Zoll-Sensoren. Aber die verwendete Zoll-Einheit ist nicht das übliche Zollmaß. Bei einem Telefon misst ein 1-Zoll-Sensor nur 13,2 x 8,8 Millimeter. Seltsam, nicht wahr?

Worauf ich hinauswill, ist, dass man mit diesen Ausgangsbedingungen kein gutes Bild machen kann. Oder doch? Ja, das kann man, denn der Trick ist die Software im Smartphone.

Bei einem Telefon werden mehrere Bilder aufgenommen, noch bevor der Auslöser gedrückt wird, um Verwacklungen zu vermeiden. Verschiedene Belichtungen werden gemacht und Bildbereiche werden unterschiedlich belichtet.

Gesichter sind am wichtigsten für Smartphone-Kameras, also generell in der heutigen Fotografie. Telefone erkennen Gesichter verdammt gut. Und dann werden sie Gesichter gleichmäßig belichten. Asiatische Telefone neigen dazu, Gesichter noch heller zu belichten als amerikanische, weil dort ein heller Teint beliebter ist. Machen Sie heute ein Smartphone-Foto von einer Person of Color. Das Telefon weiß, wie man richtig belichtet! Vor nur zehn Jahren konnten Sie sicher sein, dass farbige Gesichter immer unterbelichtet waren.

Gesichtserkennung in Aktion
Auf Fingerdruck

Die Verarbeitung gilt nicht nur für Gesichter. Auch für komplexe Lichtszenen, z.B. beim Fotografieren in die Sonne. Oder für Nachtszenen, wo Smartphones enorme Fähigkeiten haben. Oder einfach gesagt: Wenn ein Himmel erkannt wird, wird er stärker gesättigt und unterbelichtet, damit er nicht ausbrennt.

Heute entsteht ein Foto weniger durch Photonen und mehr durch Verarbeitung. Ein Foto ist das, was die Software als optimales Bild berechnet.

In modernen Kameras können Sie dieses HDR-Zeug nicht abschalten. Manchmal können Sie es reduzieren. Aber es wird immer mehr zur Norm, und Mobiltelefone produzieren Fotos, die manchmal schrecklich künstlich aussehen, aber oft so perfekt sind, dass es gruselig ist.

Sie zeigen eine Realität, die besser ist als die Realität! Dies könnte sogar verändern, wie wir Ereignisse in unserem eigenen Leben erinnern.

Wenn Sie mehr Kontrolle über die Entwicklung, also die Verarbeitung des Fotos, haben möchten, können Sie im RAW-Format fotografieren. Ab dem iPhone 12 können Sie dafür das Apple ProRAW-Format wählen. Alternativ gibt es Kamera-Apps wie Lightroom Mobile (für iPhone oder Android), eine App, die auch im DNG-RAW-Format fotografieren kann.

Alles, was ich beschreibe, gilt nicht nur für die Smartphone-Fotografie. Streng genommen verarbeitet auch jede Digitalkamera das Bild mit einem Algorithmus, wenn ein JPG erstellt wird. Manchmal bin ich richtig enttäuscht, wenn ich meine RAW-Dateien auf den Computer lade und sie weniger spektakulär aussehen als das, was mir die Kamera auf dem Display gezeigt hat.

Zu wissen, wie viel Rechenleistung in die Erstellung eines Fotos fließt, kann Ihnen helfen, die heutigen Fotos besser zu verstehen.

Ein Foto ist nicht mehr das, was es einmal war. Und dieser Trend wird unumkehrbar sein und einen großen Einfluss auf unsere Sehgewohnheiten haben.

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