Hannes Walendy

Hannes Walendy

Als wir uns auf der Straße vor dem Café treffen, merke ich sofort, dass Hannes in sich ruht. Der Fotograf aus Süddeutschland strahlt Gelassenheit aus und vermittelt damit eine Sicherheit, die ihm bei seiner Arbeit als Aktfotograf hilfreich ist. In unserem 90-minütigen Gespräch verrät er mir überraschende Dinge über seine Arbeitsweise.

Lesezeit: 6 Min.

Aufgrund der Pandemie ist die Rubrik in meinem Blog, in der ich interessante kreative Persönlichkeiten vorstelle, leider etwas vernachlässigt worden. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, dass Hannes Walendy spontan Zeit hatte, sich mit mir in Frankfurt zu treffen.

Denn es ist immer noch so: Jeden Tag sehe ich viele Fotos von talentierten Fotografen und stelle dann überrascht fest, dass ich gar nichts über diese Menschen weiß. Ich scrolle einfach zu schnell durch die Timeline. Dabei verraten mir die Fotos, dass sich der Mensch hinter der Kamera viele Gedanken über seine Arbeit gemacht hat.

Hannes Walendy (rechts) und ich

Hannes ist 1961 geboren, was wahrscheinlich erklärt, dass er Selbstbewusstsein mitbringt und man spürt, dass er sich nicht mehr vor anderen beweisen muss. Ich fand es sehr angenehm, mich mit ihm zu unterhalten. Er spricht leise, ohne introvertiert zu sein. Und er hat eine ganze Menge zu sagen.

Wie es begann

Hannes Walendy begann vor etwa sieben Jahren mit der Fotografie. Damals hat er Dressurpferde fotografiert. Er ritt früher selbst Pferde und ist dem Pferdesport verbunden. So lag es nahe, Pferde und ihre Reiter professionell zu fotografieren.

Da der Ablauf eines Dressurturniers aber immer nach dem gleichen Muster abläuft, fehlte ihm relativ schnell die Abwechslung. Deshalb begann Hannes in der Natur zu fotografieren.

Wechselnde Genres

Zu meiner Überraschung erzählte er mir, dass er beim Fotografieren von Blumen und Blüten durch genaues Beobachten gelernt hat, wie man mit natürlichem Licht arbeitet. Zum Beispiel, dass Gegenlicht schmeichelhaft aussieht. Was im Kleinen funktioniert, muss auch im Großen funktionieren, dachte er sich.

Und so wechselte er erneut das Genre und fühlt sich nun angekommen. Direkt in die sagenumwobene "Königsklasse" der Aktfotografie. Hannes hielt es nicht für nötig, sich vor einer solchen Aufgabe zu fürchten. Sein Sinn für Ästhetik und weibliche Schönheit leitete ihn. Er wollte sich einfach der Herausforderung stellen, die Schönheit der Frau zu fotografieren.

© Hannes Walendy

Vorbilder

Er bevorzugt die Arbeiten von Dmitry Chapalla wegen seines reduzierten Schwarz-Weiß-Stils, lässt sich von Ilya Rashaps Arbeit mit Licht inspirieren und ist fasziniert von dem edlen Farblook des französischen Fotografen Martial Lenoir.

© Hannes Walendy
© Hannes Walendy

Wie er arbeitet

Durch Modemagazine wie Elle und Vogue denkt Hannes von Anfang an in Serien. Er bereitet seine Shootings mit einem Moodboard vor, um den Models zu vermitteln, was er sich an einer Location vorstellt und wie er das Model inszenieren möchte.

Dabei schafft er zunächst eine Situation. Ein Setup wie z.B. ein Studentenzimmer mit Schreibtisch, Bett und Accessoires. Dazu eine Beschreibung der Rolle, die das Modell einnehmen soll. "Du bist eigentlich ein fauler Student und nicht so sehr am Lernen interessiert", gab mir Hannes als Beispiel.

Dann wartet er ab, ist ein stiller Beobachter — so wie er es in seinen Anfängen beim Fotografieren in der Natur war. Er unterbricht das Model selten, will sehen, was sie aus der Situation macht und im richtigen Moment auf den Auslöser drücken. Dabei geht er sehr behutsam vor und macht in einem dreieinhalbstündigen Shooting nur etwa 500 Aufnahmen.

Er komponiert das Motiv bis ins kleinste Detail in der Kamera. Er nimmt sich Zeit, um zum Beispiel die richtige Perspektive und den richtigen Ausschnitt zu finden.

Die ersten zehn Minuten sind entscheidend oder zumindest nicht unwichtig bei einem Shooting, hat mir Hannes erzählt. Hier muss es ihm schon gelingen, Bilder so zu machen, wie er sie sich vorgestellt hat. Denn er zeigt dem Model die Bilder von Anfang an, damit sie Vertrauen gewinnt, sich am Set wohl fühlt und motiviert bleibt.

Als Fotograf unterbricht er das Shooting nur, wenn er das Gefühl hat, dass die Luft raus ist und er den Flow wieder in Gang bringen muss.

© Hannes Walendy

Natürlich ist es einfacher, wenn sich Model und Fotograf bereits kennen. Deshalb arbeitet Hannes schon seit Jahren regelmäßig mit fünf bis acht Aktmodellen zusammen. Die Vertrautheit, die dabei entsteht, hilft, mit der Zeit immer bessere Bilder zu machen.

© Hannes Walendy
© Hannes Walendy
Viele Menschen haben ein falsches Bild von Fotografen.

Wenn ein Model mit gespreizten Beinen auf einer Couch sitzt und Hannes geschickt einen Winkel wählt, der das Bild sinnlich, aber nicht obszön erscheinen lässt, dann gibt dieses Foto keinen Einblick in sein Privatleben, sondern es ist Kunst. Hier verstehen Außenstehende manchmal nicht zu differenzieren, lacht Hannes und sagt, man könne seine Arbeit auch platonische Akte nennen.

Sein bevorzugtes Objektiv ist ein lichtstarkes 28-70-mm-Zoomobjektiv, mit dem er die meisten seiner Bilder macht. Für Porträts arbeitet er auch gerne im Bereich einer 200-mm-Brennweite.

Ich war sehr überrascht, als ich erfuhr, wie Hannes mit seiner Canon R5 arbeitet. Er stellt die Kamera auf Schwarz-Weiß-Modus ein, so dass er die Welt durch den Sucher in Schwarz-Weiß sieht. Das hilft ihm, Licht und Kontraste besser zu sehen und Strukturen zu erfassen, was für seine Arbeit sehr wichtig ist.

Erst in der Nachbearbeitung entscheidet er, ob er das Bild doch noch farbig machen will. Da die RAW-Daten alle Farbwerte enthalten, kann er diese Entscheidung in der Nachbearbeitung frei treffen.

Hannes nimmt sich Zeit, um seine Fotoserien zusammenzustellen. Er kreiert einen Look in Lightroom. Aber dann schläft er gerne darüber und ändert am nächsten Tag wieder etwas. Dieser Prozess kann manchmal mehrere Tage dauern, bis er abgeschlossen ist.

Wenn die Farben oder Grauwerte stimmen, braucht er nicht mehr als eine halbe Stunde pro Bild für die Retusche. Er mag es, wenn die Bilder so natürlich wie möglich sind und verflüssigt einen Körper nur dann, wenn zum Beispiel ein zu enger Slip die Haut unschön einschneidet.

© Hannes Walendy
© Hannes Walendy

Drinnen oder draußen?

Die Arbeit in geschlossenen Räumen erleichtert es, Intimität zu schaffen. Die Sicherheit, die ein geschlossener Raum bietet, erlaubt es dem Model, sich fallen zu lassen und in eine Geschichte einzutauchen. 2 bis 3 Meter Abstand zum Model sind Hannes' Wohlfühlzone.

Wenn er am Set kubanische Jazz- oder Tangomusik spielt, wirkt der Rhythmus als Impulsgeber und unterstützt die Athmosphäre sehr gut.

Ich habe wirklich gespürt, wie Hannes für die Fotografie brennt. Er hat Spaß am Fotografieren und deshalb ist Anerkennung nicht die größte Motivation für seine Arbeit. Er kümmert sich nicht um Likes und Follower auf Social Media. Die Geheimnisse des Instagram-Algorithmus kennt sowieso niemand, und ein schlechteres Bild kann so viel mehr Likes bekommen als ein tolles Foto.

Instagram ist nur ein vorübergehender Hype, sagt Hannes, und ich wünschte sehr, dass er damit Recht hätte. Langfristig werden sich die Menschen nicht vorschreiben lassen, was sie sehen dürfen und was zensiert wird. Wenn es am Ende mehr Werbung als Fotos gibt, werden sich neue Plattformen für Kreative auftun.

Hannes Walendy produziert jedes Jahr einen Bildband mit rund 100 Seiten. Die Auflage seines Buches ist 1 und das hochwertige Buch im riesigen 30x40cm Format wandert dann in den eigenen Bücherschrank. Über die Jahre hat er so seine eigene Weiterentwicklung miterleben können. Auf Papier und nicht auf dem Bildschirm, was den Fotos einen höheren Wert verleiht.

Persönlichkeit kann reflektieren

Ich habe das Gespräch mit Hannes sehr genossen. Seine lockere und unterhaltsame Art war einfach sehr angenehm und herzlich. Ich würde sogar behaupten, dass ich diese Ehrlichkeit und Wärme auch beim Betrachten seiner Fotos spüre. Vielleicht können Sie das auch spüren.

Vielen Dank für das Treffen, Hannes! Alles Gute für deine nächsten Fotosessions.

Hannes Walendy

Hannes Walendy

Hannes ist immer auf der Suche nach neuen Gesichtern. Er fotografiert in seinem Studio in Metzingen (Raum Stuttgart) oder auf Reisen durch Europa.

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